Hersteller stehen vor umfassenden Veränderungen in der toxikologischen Risikobewertung von Medizinprodukten
Die lang ersehnte finale Version der ISO 10993-17 Norm, mit dem Titel “Toxicological risk assessment of medical device constituents,” wurde Mitte September veröffentlicht. Die DIN EN ISO 10993-17:2024-02 wird im Februar 2024 erscheinen. Im Vergleich zur bisher gültigen Norm von 2002 bringt die neue Version zahlreiche Änderungen mit sich, die eine gründliche Berücksichtigung bei der toxikologischen Bewertung von Medizinprodukten erfordern.
Die Überarbeitung der ISO 10993-17 wurde notwendig, da die vorherige Version über 20 Jahre alt war. Der Entwurf der neuen Norm wurde 2021 zur Diskussion freigegeben, und die finale Version wurde am 13. September 2023 veröffentlicht. Die Aktualisierung wirkt sich nicht nur auf die toxikologische Risikobewertung von Medizinprodukten aus, sondern hat auch Auswirkungen auf die europäischen Normen im Zusammenhang mit der Medical Device Regulation (MDR), insbesondere in Bezug auf die Grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen 10.1, 10.2 und 10.4.
Unsere Experten vom senetics BioLabs möchten auf folgende Neuheiten und Änderungen besonders hinweisen:
- Die toxikologische Risikobewertung wurde auf chemische Bestandteile von Medizinprodukten erweitert.
- Statt der Ableitung von Grenzwerten wird nun eine detaillierte Beschreibung der Risikobewertung gefordert. Dies umfasst die Identifikation gefährlicher Bestandteile und die Auswahl des richtigen Ausgangswertes (POD: Point of Departure) für die Grenzwertableitung.
- Der Tolerable Exposure Grenzwert wird nicht mehr berechnet, stattdessen fließt der Anwendungsfaktor in die Expositionsabschätzung ein.
- Die Einführung von “Toxicological Screening Levels” soll den Aufwand für die Beurteilung systemischer Effekte verringern.
- Die Expositionsabschätzung bezieht sich zukünftig auf das Körpergewicht (z.B. μg/kg bw).
- Die toxikologische Risikobewertung erstreckt sich nicht mehr nur auf herauslösbare Substanzen, sondern wurde auf Bestandteile im Medizinprodukt erweitert, definiert als “chemical that is present in or on the finished medical device or its materials of construction.”
Im Vergleich zur vorherigen Norm beginnt die toxikologische Risikobewertung nun mit der Sammlung von toxikologischen Informationen zu Medizinprodukten und Bestandteilen. Die Einführung des toxikologischen Screening-Grenzwertes (Toxicological Screening Level; TSL) ermöglicht eine selektive Bewertung von Bestandteilen. Bei Konzentrationen oberhalb des TSL ist eine vertiefte toxikologische Bewertung erforderlich.
Für Bestandteile über dem TSL muss die toxikologische Bewertung über die Berechnung des Point of Departure (PoD) erfolgen. Bei fehlendem geeignetem PoD kommt der dosisbasierte Schwellenwert (Threshold of Toxicological Concern; TTC) zum Einsatz. Die Sicherheitsspanne (Margin of Safety; MoS) wird durch die Abschätzung der Expositionsdosis (EEDmax) und die Bewertung mit der tolerierbaren Aufnahme oder Kontaktdosis abgeleitet.
Bei geringer Sicherheitsspanne ist eine Restrisikobewertung erforderlich. Die Bewertung des Nutzens entfällt, ebenso wie die Berechnung eines zulässigen Grenzwertes. Die Einführung krebsrisikospezifischer Dosen und die Senkung des akzeptablen Krebsrisikoniveaus sind weitere signifikante Änderungen. Die Überarbeitungen betreffen auch den expliziten Einschluss von Endpunkten für systemische Effekte und Irritation, während Sensibilisierung, Implantation und Hämokompatibilität ausgeschlossen werden. Zudem wurden Unsicherheitsfaktoren und Annahmen für biologische Parameter präziser spezifiziert.
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Dr. Katrin Sulzer
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